Extrabreit / Helden der Orientierungsstufe Teil 2

Fortsetzung von: https://entertaimnet.wordpress.com/2013/01/09/extrabreit-helden-der-orientierungsstufe-teil-1/

Interview mit Kai Havaii von Martin Hannig und Dennis Rowehl

Extrabreit Kai Schlasse auf entertaim.net

entertaim.net: Ist sowieso auffällig, dass es von deutschen Bands oder Künstlern kaum Box-Sets gibt. Viele größere Künstler, z.B. Grönemeyer, haben ja auch ein Problem mit ihren früheren Werken, die finden das dann alles scheiße und sagen: „Würd ich mir heute auch nicht mehr kaufen.“

Kai: (lacht) Das würd ich nicht sagen. Nee, ich denke schon, dass die ersten drei Alben eine gewisse Bedeutung haben und die Zeit auch geprägt haben. Also ich würd das gerne sehen.

entertaim.net: Und dann das dritte Album, war das nicht von Mack produziert? Wurde da speziell was anders gemacht?

Kai: Also die Aufnahmen haben wir gemacht wie immer. Mack hat ja nicht produziert, nur gemischt. Wir haben die genau wie die ersten beiden Platten in Bayern aufgenommen.

entertaim.net: Hiltpoltstein.

Kai: Genau. Wir waren aber dann der Meinung, dass der Sound, den wir hatten, etwas besser gemischt werden sollte. Ja und das passte dann mit Mack, der wollte damals unbedingt mal was mit einer deutschen Band machen. Der hat das dann in 2 Wochen gemacht. Das hat dann dazu geführt, dass wir einen Sound hatten, der weit vorne war.

entertaim.net: Und ein sehr fetter Gitarrensound. Auf dem Album ist ja auch mein Lieblingsstück „Geisterbahn“…

Kai: Das spielen wir heute auch (lacht)

entertaim.net: Songs wie „Der Führer schenkt den Klonen eine Stadt“ oder „Glück & Geld“ hatten ja eine ganz klare Aussage, waren auch ein Statement. Wenn man sich heute so umschaut bei den Bands, die aktuell erfolgreich sind, findet man wenig, bei denen man solch relevante Aussagen findet. „Polizisten“ z.B. könnte man sich heute doch gar nicht mehr vorstellen als neuen Song…

Kai: Merkwürdig, aber du hast natürlich recht. Da gibt’s viel Wortgeklingel. Natürlich ist das Interesse an diesen politischen Themen nicht so da. Es ist ja nicht so, als wär es verboten – man könnte es ja machen. Keiner verspürt die Notwendigkeit. Oder keiner will sich die Karriere verderben.

entertaim.net: Ende der 70er Anfang der 80er war nun ja auch eine ganz spezielle Zeit, um politische Themen anzusprechen.

Kai: Ja klar. Ich kam ja auch ursprünglich aus diesem linken Milieu.

entertaim.net: Wenn ich mir deinen Blog anschaue (auf der Extrabreit-Website), dann gehst du mit den heutigen Grünen ja auch hart ins Gericht. Diese Staatsgläubigkeit, alles regeln zu wollen. Z.B. hier in NRW mit dem neuen Rauchverbot.

Kai: Die Grünen wollen die Leute zu ihrem Glück zwingen. Bei denen kann man gut beobachten, dass alles, was mal wichtig und neu war, und auch getan werden musste … damals , siehe Atomkraft, dass dies alles inzwischen gar kein Grünen-Thema mehr ist. Das ist ja überall Konsens. Das nimmt ja langsam überhand und ist teilweise völlig übertrieben. Ich empfinde das heute so und kann deswegen wirklich nicht mehr sagen, die Grünen sind meine Partei.

entertaim.net: Die bedienen ja inzwischen ein sehr konservativ-bürgerliches Klientel, sie sind es ja auch alle selbst …

Kai: Die Freiberufler und so….

entertaim.net: So wie du es ja auch schreibst: Doppelverdiener, schicke Altbauwohnung, Bioschickeria, Kinder schön im Waldorfkindergarten, und die Kinder bloß nicht in die Schule um die Ecke schicken, weil … da sind ja dann doch zu viele mit Migrationshintergrund, da wird dann doch das humanistische Gymnasium gewählt. Aber ein anderes Thema: Was hältst du eigentlich von den Toten Hosen?

Kai: Die gehören auch immer noch dazu. Das ist eine der wenigen Bands, die damals mit uns angefangen haben und die nach all den Jahren wie wir immer noch handgemachte Gitarrenmusik machen. Die Toten Hosen haben sich sehr konzentriert auf ihre Karriere. Das ging nicht so schnell wie bei uns damals. Alles schön Schritt für Schritt und umso nachhaltiger ist das auch.

entertaim.net: Gibt ja nicht mehr viele Bands, die seit 1980 dabei sind… außer Slime…

Kai: Mal wieder! Fehlfarben sind noch dabei. Sind doch wenige, die bis heute durchgehalten haben.

entertaim.net: Anders als die Hosen seid ihr ja damals förmlich explodiert und in die Umlaufbahn geschossen. Und dann kam auch recht bald der genau so heftige Absturz und keiner hat euch mehr gekannt. Nur wenige haben dann die Alben „Europa“ und „LP der Woche“ gekauft.

Kai: Da war in der Tat ein Bedürfnis, mal was ganz anderes zu machen, deswegen haben wir dann diese englischen Songs gemacht. So wie damals jedes Jahr ein Album rauszubringen, das würde heute ja keiner mehr machen. Wir waren das so gewohnt, das stand auch so in unseren Verträgen. Da muss ich heute sagen, es wäre doch hin und wieder gut gewesen, einfach mal abzuwarten, nicht immer sofort was auf den Markt zu bringen, sich erstmal ein bisschen zu sammeln. Aber das war halt so.

entertaim.net: Welcher Song auf all den Breiten-Platten gefällt dir von den Vocals her am Besten? Wo du sagst: Das hab ich echt gut eingesungen?

Kai: ….. Von früher „Ruhm“, da hab ich einen guten Moment erwischt. Ich hab zuletzt mal wieder in alte Alben reingehört. Macht man nicht oft. Das kam dadurch, dass wir jetzt wieder getourt haben, und jemand sagte: „Lass doch mal den oder den Song von dem Album spielen“. Da hab ich da mal nach langer Zeit reingehört. Da gibt’s dann interessante Sachen, die mir im Nachhinein auch wieder gut gefallen. Das Stück „Mama“ von „Wer Böses denkt soll endlich schweigen“ – sie reden schlecht über deinen Sohn.

entertaim.net: Ich find am Besten diese ganz fiese creepy Stimme auf „Wollt ihr euern Sohn noch retten“ von der „Europa“. Wie hast du das gemacht damals? Da ist ja so ein ganz komischer Unterton drin.

Kai: Ja richtig, so ein zweiter Ton schwingt da irgendwie noch mit. Das kam dadurch, dass ich mich einfach heiser gesungen hatte. Normalerweise hätte man gesagt, lass uns das in 2 Tagen einsingen, dann wird das besser. Aber das Gefühl war eben, dass genau DAS gut ist für den Song.

entertaim.net: Uns ist grade beim Soundcheck aufgefallen, dass du auf der Bühne eine gewisse Ähnlichkeit mit Mel Gibson hast ….

Kai: (lacht). Den hab ich auch mal live gesehen.

entertaim.net: Echt?

Kai: Nee, stimmt ja gar nicht, das war Bruce Willis, der mal gesungen hat.

entertaim.net: .. und Kevin Costner!

Kai: … der auch (lacht)

entertaim.net: Du bist ja gelernter Grafiker, man sieht ja auch ein paar Cartoons von dir in deinem Buch. Machst du eigentlich sonst neben EXTRABREIT noch in dem Bereich was?

Kai: Nicht so viel. Wir haben ja jetzt unsere eigene Biermarke. Und da hab ich z.B. das Etikett entworfen. Könnt ihr auf unserer Website bestellen. Das ist nach eigenem Rezept gebraut.

entertaim.net: Machst du sonst noch andere Jobs?

Kai: Sehr viele. Als freier Autor im Fernsehen arbeite ich für Dokus. Historische Sachen wie z.B. Terra X. Das hat mich persönlich schon immer interessiert und macht mir sehr viel Spaß.

entertaim.net: Gibt es für Stefan und für dich noch die Idee, neue Songs zu schreiben? Klar, Extrabreit ist jetzt nicht mehr so die Hauptsache für euch. Andererseits liegt das Hiob-Album auch schon wieder ein paar Jahre zurück.

Kai: Wenn man sagt: „Wir machen ein neues Album“ , dann muss man seiner Sache schon sehr sicher sein. Da braucht man einen langen Atem. Dann ist man schnell ein Jahr beschäftigt. Es ist ja nicht damit getan, dass man ins Studio geht, man muss die Stücke schreiben, man muss das Album dann produzieren, dann muss man Promo-Gigs machen, also es hängt sehr viel dran. Um das durchzuziehen, muss man einen starken Drang haben. Den haben wir dieses Jahr nicht gehabt. Das heißt aber nicht, dass sich das nicht auch noch mal ändern könnte. Wir haben da auch keinerlei Druck und machen uns deswegen auch keine Gedanken.

Extrabreit Stefan Kleinkrieg (by) Dennis Rowehl